Altwied aktuell



Der Altwieder Burgfrieden

Der Altwieder Burgfrieden

Bei dem Wort Burgfrieden denken die meisten Menschen an eine Zeit, in der friedliches Leben auf einer Burg herrscht, spannungsgeladene Gruppen freundlich gegenüberstehen, an eine Zeit, in der Kriege durch Verträge gebannt sind. Das ist garnicht so abwegig. Gibt es doch eine Anzahl Verträge und Abmachungen, deren vertrauenerweckender Name den Menschen Frieden verhieß.


In der neueren Geschichte sprechen wir vom Burgfrieden, den die deutschen Parteien beim Ausbruch des 1. Weltkrieges schlossen und auch lange hielten.

Im 11. Jahrhundert wurde von der Kirche zum ersten Male der „Gottesfrieden“ errichtet, welcher bewirkte, daß an christlichen Feiertagen und von Donnerstag bis Sonntag jeder Woche keinerlei Streitigkeitenoder Überfälle durchgeführt werden durften. Bedeutender war der „Ewige Landfriede“. Er wurde auf dem Reichstag zu Worms 1495 verkündet und machte zum Gesetz, daß rauflustige Burgherren endgültig auf das üble Gewohnheitsrecht verzichten mußten, ihre Streitigkeiten durch eine Fehde, also einen Kleinkrieg, gewaltsam auszufechten. Noch wirkungsvoller und weitreichender in ihrer Bedeutung waren die in Nürnberg und Augsburg geschlossenen „Religionsfrieden“; durch sie wurden große kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken beendet.

Mit solchen bedeutenden Namensvettern kann sich der Burgfriede von Altwied natürlich nicht messen. Es gibt in der bekannten und sehenswerten Burg Bürresheim (ein Schloß hinter Mayen) ein Bild, auf dem der Burgfriede dargestellt ist. Das Ölgemälde zeigt die Landschaft aus der Vogelperspektive. Ein größeres Gebiet um die Burg herum wird durch eine dicke, rote Line abgegrenzt. Dieses Gebiet ist der Burgfrieden. So ist es auch in Altwied gewesen. Ursprünglich wurde nur der ummauerte Bereich der Burg damit bezeichnet. Später wurde das Burgdorf und schließlich ein ganzes Einzugsgebiet in den Burgfrieden eingeschlossen.


In den Urkunden über Altwied taucht der Begriff schon im 14. Jahrhundert auf. Etwa 300 Jahre später hatte sich durch die Wirren des 30jährigen Krieges ergeben, daß die Grenzen des Burgfriedens in der Wiedischen Kanzlei nicht mehr bekannt waren.


Der Bürgermeister von Altwied wurde um Auskunft ersucht. Hauptsächlich nach seinen Angaben wurden später folgende Landschaftsmerkmale festgelegt:

„Inmaßen dann der anfang gemacht worden von der Segendorfer brücken den Dauffigs Pfaden hinauff biß auf den Dummerich, von dannen den fuhrweg hinauff vber die wiesen halte, ferner langß dem Irlicher busch herrunter auf die strauchwieß, von dann auf den Rehtal, vom Rehtal in die hirnbach in Jungfrau Treinens wieß, da dannen vber den Dazeroder busch, waß vndig dem weg ist negst dazerodtbiß an den Thelwaag vnd lang bürder an den hohen stein auf dem Wolfenacker an welchem stein zur untersten seithe daß Wiedische an der öbersten das Cöllnische Wapfen gehawen steht, da dann durch die heppenwieß das flößgen hinauff biß in Curtscheid, da in Johannes Scheuren hauß Ein stein an der herdt mauer gestanden und noch steht. Davon dann zum Vallthor hinaus biß an die Laubbach, die bach herunter biß an die Rengsdorfer Schläge, von dannen die straß herunder bis an die Melsbacher wäsche an dem stein, da dannen bis an den anderen stein bey Schelkenborn und von dem Stein an die Creutzkirche, da die straße herrunter wiederumb biß an die Segendorfer brücken woselbst der anfangk gemacht.

Die Skizze zeigt eine ungefähre Rekonstruktion des Altwieder Burgfriedens. Die Regellosigkeit der Rechtschreibung beweist, daß nicht ein Kanzleibeamter, sondern ein Laie am Werk war, der auch in der Textgestaltung nur halb den Weg von der Volkssprache zum Kanzleistil findet.


Wir erkennen eine Anzahl bekannter Flurnamen, z.B. Nonnenbach, Kreuzkirche, Bürder, Segendorfer Brücke und Schelkenborn. Weiß aber jemand heute noch, wo Jungfrau Kathreinens Wiese liegt? Finden wir noch den Stein an der Mauer bei Johann Scheuren in Kurtscheid.


Das Wissen um den Grenzverlauf war der Kanzlei wohl hauptsächlich aus juristischen Gründen von Bedeutung. Die Menschen innerhalb des Burgfriedens waren dem besonderen Schutz des Grafen anvertraut und konnten sich ungefährdeter bewegen. Wer ihren Frieden gefährdete, hatte also mit der Anwendung besonders strenger Rechtsverordnungen zu rechnen.


Deshalb waren die letzten lebenden Zeugen von großer Bedeutung. Erstaunlich ist, daß der Bürgermeister von Altwied sich in Flurstücken auskennt, die weit entfernt und außerhalb seiner Gemarkung lagen. Wahrscheinlich hat er sich eines Tages mit einigen anderen Kundigen aufgemacht und die 30 Kilometer lange Grenze begangen. Seine Meldung liegt vor aus anno domini 1647.


Aus dem Heimatbund Altwied / Quelle:

Heimatkalender 1965 des Landkreises Neuwied


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